Dies sagte Urner Ständerätin Heidi Z’graggen an einer Tagung zum Thema „Generationensolidarität – Generationenkonflikt“ vom November 2019, bei welcher ich dabei sein konnte.

Wussten Sie, dass heute zwischen vier Altersstufen unterschieden wird? Es gibt die Kinder und Jugendlichen, dann die Erwachsenen. Danach – ab Alter 65 bis 79 – folgen die „Jungrentner“! Und erst ab Alter 80 ist man sogenannt „Hochaltrig“.

Eine Studie der Swisslife erkannte, dass pro Jahr im Wert von rund 400 Milliarden Franken unbezahlte Arbeit geleistet wird. Allein 8 Milliarden leisten Grosseltern, welche Hütedienste übernehmen. Nicht umsonst sagt man, Grosseltern bilden die grösste Kinderkrippe der Schweiz.

Prof. em. Dr. François Höpflinger, Altersforscher, erläuterte auf humorvolle Art, wie sich die Generationenbeziehungen gewandelt haben. Früher war die Grossfamilie eine Selbstverständlichkeit. Unter einem Dach wohnten z.B. drei Generationen. Die Solidarität war wechselseitig. Letzteres ist tröstlicherweise heute noch so, jedoch leben wir eine Familienbeziehung auf Abstand. Das ergibt, nach Prof. Höpflinger, sogenannte Bohnenstangenfamilien, also kein Familienverband auf der gleichen Ebene, wie wenn man zusammen lebt. Grosseltern oder Eltern wohnen nicht mehr unter demselben Dach, wie die jungen Familien. Jeder Paarverbund ist für sich alleine.

Die Inputreferate fokussierten sich auch auf das Thema Arbeit. Heidi Z’graggen führte aus: gehe es um Arbeitsplätze, würden sich die Jungen ebenso diskriminiert fühlen, wie die Alten. Sie würden nicht ernst genommen, als zu jung und zu unerfahren abgestempelt. Im Gegenzug dazu hat die Wirtschaft kein Programm, die Altersarbeit zu fördern. Die Einführung der Überbrückungsrente ab 58 Jahren sei ein falsches Signal. Wer länger arbeiten möchte, sollte dies tun können. Wohl betrifft zur Zeit die höchste Beschäftigungsrate Menschen im Alter zwischen 55 und 64. Danach aber sackt die Zahl der älteren Arbeitnehmenden ab. Frau Z’graggen ist eindeutig der Meinung, dass das Rentenalter zu starr fixiert ist. Es muss flexibel gehandhabt werden. Für die Wirtschaft müssten bessere Anreize geschaffen werden, im Zeichen des bereits bestehenden oder kommenden Fachkräftemangels älteren Arbeitnehmenden zu ermöglichen, weiter zu arbeiten.

An einer solchen Tagung darf man natürlich die Jugend nicht vergessen. Frau Angelika Ruider erzählte uns vom „Schweizer Verein zur Förderung des Milizengagements“. Auf der Homepage des Vereins steht geschrieben: Unser Verein ServiceCitoyen.ch wurde 2013 von engagierten jungen Bürgerinnen und Bürgern gegründet. Unser Ziel ist, das Schweizer Milizsystem zu revitalisieren! Getreu dem eidgenössischen Motto «Einer für alle, alle für einen» schaffen wir eine Bewegung für den Bürgerdienst. Dieser unterstreicht die Verbundenheit zur Schweiz, verbessert den sozialen Zusammenhalt im Land und stärkt die aktive Solidarität in der Gesellschaft und zugunsten der Umwelt.

Frau Ruider führte aus, dass aus der Optik der jungen Menschen eine Verschiebung der Achsen stattgefunden hat. Sowohl finanziell als auch personell lässt sich die damalige Zeit nicht mehr mit der heutigen vergleichen. Familie, Beruf und Freizeit, diese drei starken Punkte im Leben der jüngeren Menschen beherrschen die Tage. Frauen und Männer sind gefordert mit (Teilzeit-)Beruf und Familienbetreuung. Da bleibt nicht mehr viel für Freizeit, geschweige denn für ehrenamtliches Engagement oder aktive Solidarität. Frau Ruider sagt: Wir sind eine Genossenschaft von Bürgern und das Ziel des Vereins müsse sein, für Gleichberechtigung zu sorgen. Die Menschen sollten aktiviert werden, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Der Verein lanciert 2020 eine Volksinitiative unter dem Namen „Einer für alle, alle für einen“. Punkt 1 (von 5) der Initiative sagt: Jede Schweizerin, jeder Schweizer leistet im Rahmen üblicher Bürgerpflichten einen Milizdienst zugunsten von Gesellschaft und Umwelt. Ich sehe schon die einen oder anderen die Hände verwerfen. Zwang für alle? Aber warum eigentlich nicht? Man weiss heute, dass mit dem sogenannte call-to-action aus „Zwang“ Freiwilligkeit entstehen kann.

Glauben Sie mir: In den Workshops zum Gehörten wurde heiss, sehr heiss diskutiert!

https://servicecitoyen.ch/de/

Die Plattform seniors@work ist sicherlich ein tolles Angebot für einige Senior*innen. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung bald, dass sowohl bei den mitmachenden Senior*innen wie auch bei den Jobangeboten, dass das Weiterarbeiten nach der Pensionierung nur für einen beschränkten Teil der Rentner*innen in Frage kommt. Es sind dies wohl tendenziell mehr Menschen mit akademischem Hintergrund und/oder «Bürojobs». Maurer*innen, Gärtenbauer*innen, Verkäufer*innen sind Mangelware.  Hinzukommt, dass es zu unterscheiden gilt zwischen Erwerbstätigkeit und ehrenamtlichen Engagement.

Es waren Zusammenschlüsse von Arbeitnehmenden, die die Gewerkschaften begründeten. Somit wird deutlich, dass sich die Gewerkschaften für Erwerbstätige einsetzen. Nichtsdestotrotz stehen Arbeitnehmende, die über das ordentliche AHV-Alter hinaus weiterarbeiten, nicht im Fokus der Gewerkschaften. Dies weil unsere Aufmerksamkeit zuerst jenen Arbeitnehmenden gewidmet werden muss, die heute nicht bis zur ordentlichen Pensionierung arbeiten können bzw. arbeiten dürfen. Das Erreichen des ordentlichen Rentenalters ist für viele Erwerbstätige gerade, aber nicht nur, in körperlich belastenden Berufen schon eine grosse Herausforderung.

Eine Studie der Arbeitslosenversicherung hat ergeben, dass ältere Arbeitnehmende oft grosse Mühe haben wieder eine neue Stelle zu finden, obwohl sie eine gute Ausbildung und gute Qualifikationen haben. Selbst wenn sie ihre Lohnvorstellungen deutlich senken.

Die schlechteren Leistungen bei der 2. Säule sind auch die Ursache dafür, dass die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen stark angestiegen ist.

Dabei kann das Argument, ältere Arbeitnehmende seien zu teuer, nicht akzeptiert werden: Laut einer Erhebung des statistischen Amtes in Zürich, hat die Lohnentwicklung für Frauen bis ca. zum 50. Lebensjahr bzw. für Männer bis zum 55. Lebensjahr einen positiven Effekt auf den Lohn – danach wird er negativ – ein ähnliches Bild zeigen detaillierte Auswertungen des Lohnrechners (www.lohnrechner.ch).

Viele Arbeitnehmende würden trotz dieser Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gerne wenigstens bis zu ihrer ordentlichen Pension arbeiten, oder müssten dies auch um eine einigermassen anständige Rente zu erzielen. Die Zahl der arbeitslosen Menschen, die über 55 Jahre alt sind, steigt aber stetig an. Aus diesem Grund fordern die Gewerkschaften folgende Punkte:

  • Langjährige Mitarbeitende über 50 Jahre sollen besonders gegen Kündigungen geschützt werden, wie das in einem Teil der Gesamtarbeitsverträge bereits geregelt ist. Dieser Kündigungsschutz gibt auch den Arbeitgebern einen Anreiz, besser zum Personal zu schauen (Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsschutz). Anders als oft behauptet, wirkt dieser zusätzliche Schutz nicht als Hindernis für den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt. Denn er ist an die Dauer der Betriebszugehörigkeit gebunden und wirkt bei einer Neuanstellung nicht abschreckend.
  • Ältere Arbeitslose müssen bessere Chancen haben, wieder eine Stelle zu finden. Die von National- und Ständerat beschlossene Stellenmeldepflicht muss nun konsequent umgesetzt werden, damit die heute benachteiligten älteren Stellensuchenden einen Vorteil erhalten.
  • Arbeitnehmende (und Arbeitslose) sollen das Recht auf eine berufliche Standortbestimmung bzw. Laufbahnberatung erhalten (z. B. ab 45 Jahren). In Bezug auf Aus- und Weiterbildung sollen sie auf mehr Unterstützung zählen können, z.B. über zusätzliche Angebote und Informationsmassnahmen in den Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen. Bund und Kantone müssen den Zugang zu EFZ erleichtern.

Parallel zu den erwähnten präventiven Massnahmen ist es absolut unerlässlich, dass die bestehenden Lücken der sozialen Absicherung im Vorrentenalter endlich geschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Einführung einer Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose ein äusserst wichtiger Schritt und wird von den Gewerkschaften sehr begrüsst.

Über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus zu arbeiten, soll möglich sein, aber dabei darf weder finanzieller noch hierarchischer Druck zu Lasten der Arbeitnehmenden und auf den Arbeitsmarkt entstehen. Unter dieser Prämisse befürworten die Gewerkschaften eine Flexibilisierung des Rentenalters, sofern sie allen Arbeitnehmenden offen und zugänglich ist. D.h. es muss auch Menschen mit mittlerem und kleinerem Einkommen möglich sein, nicht noch länger arbeiten zu müssen, sondern sich früher pensionieren zu lassen.

Eine Flexibilisierung des Rentenalters kann Arbeitsplätze insbesondere für jüngere Menschen schaffen. Es scheint daher wenig sinnvoll, dass Arbeitsstellen von Menschen, die bereits seit 10 Jahren pensioniert wären, besetzt bleiben. Das bedeutet aber auch, dass unser berufliches Vorsorgesystem es allen ermöglicht, spätestens nach dem Erreichen der ordentlichen Rente weiterhin ein Leben in Würde führen zu können. Wer ein Erwerbsleben lang nicht in den Genuss einer 2. Säule kam und eine AHV-Minimalrente erhält, kann kaum von einem würdevollen Leben sprechen. Solche Menschen – betroffen von Altersarmut sind in erster Linie Frauen – könnte die finanzielle Not zur Weiterarbeit nach der Pensionierung zwingen, obwohl sie es körperlich kaum mehr schaffen, z.B. acht Stunden am Tag an einer Kasse zu sitzen. Andererseits ist die Weitergabe von Knowhow, v.a. betriebsspezifischem, von erfahrenen zu jüngeren Mitarbeitenden äusserst wertvoll. Daher regen die Gewerkschaften die Arbeitgeber auch an, die internen Nachfolgeregelungen mit generationenübergreifenden Tandem-Lösungen, z.B. auch im Jobsharing mit Teilpensionierungsmodellen (sofern finanzierbar), zu gestalten. Es wäre wünschenswert, wenn der nachhaltige Effekt solcher Modelle höher gewichtet würde als dies allzu oft bei rein finanzieller, kurzfristiger Betrachtung der Fall ist.

Toya Krummenacher

Präsidentin Basler Gewerkschaftsbund

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