Viele unserer Freundinnen und Freunde sind in ähnlichem Alter wie wir. Sie werden nun reihum pensioniert. Ist Ihnen auch aufgefallen, liebe Leserin, lieber Leser, dass man rund um die Pensionierung so viel Verschiedenes zu hören bekommt?

Da gibt es den Einen, der über 40 Jahre in demselben Geschäft gearbeitet hat. Er wurde mit einem grossen Fest verabschiedet. Der Chef stand am Abschiedsapéro auf einen Stuhl und hielt eine tolle Rede über ihn. Die Belegschaft hat gesammelt für ein grosses Abschiedsgeschenk. Und zwei Fotobücher lagen auf, in denen alle ihre Gedanken, Wünsche und Geschichten niederschrieben, die sie mit dem Pensionierten erlebt hatten.

Da gibt es die Andere: ihre Pensionierung fiel in den Lockdown. Keine Verabschiedung, kein Fest, nur ein dürres Schlussgespräch und alle waren erleichtert, denn die grossen, anstehenden Veränderungen waren nicht mehr ihr Ding gewesen. Und die jungen, neuen Chefs „dynamisierten“ und forcierten Umstrukturierungen, in denen „die Alten“ keinen Platz mehr zu haben scheinen.

Eine, uns sehr gut bekannte Person, wurde aus der Pensionierung mit einem Hilferuf wieder in die Arbeit geholt! Die Nachfolge hatte nicht geklappt. Eine andere Person musste als Hochrisikoperson während des Lockdowns zu Hause bleiben. In dieser Zeit wurde der ganze Arbeitsplatz weggeräumt – ohne Information und mit der Aussage: „Du wirst ja sowieso Ende Juni pensioniert.“.

Am 14. Juli 2020 erschien in der Basler Zeitung ein Artikel über Japan, mit dem Titel „Von wegen Ruhestand“. Der Journalist Thomas Hahn aus Tokio beschreibt japanische Seniorinnen und Senioren als umworbene Personen. Es gibt dort ein „Zentrum für silbernes Humankapital“, welches Seniorinnen und Senioren neue Ausbildungen vermittelt – Personal, welches in Japan fehlt, z.B. um Räume zu reinigen, Bäume zu pflegen, den Gemeindebus zu fahren. Diese Menschen über 65 sollen einerseits das geplatzte Rentensystem auffangen und andererseits den fehlenden Nachwuchs ersetzen. Denn 28,4 % der Japanerinnen und Japaner sind 65 Jahre alt oder älter.

Nachwuchs- und Fachkräftemangel beherrschen also Japan. Bei uns in der Schweiz tönt es ähnlich. Trotzdem hört und liest man über Frühpensionierungen, über Aufhebungen der Arbeitsplätze älterer Mitarbeitenden und einen etwas respektlosen Umgang mit den älteren Mitarbeitenden.

„Silbernes Humankapital“: Schon allein dieses Wort aber symbolisiert die Wertschätzung gegenüber älterer Mitmenschen! Eine solche Wertschätzung dürfte m.E. in unserer schönen Schweizer Arbeitswelt auch etwas mehr praktiziert werden. Unternehmen könnten sich der neuen Situation anpassen und mit einberechnen, dass ältere Mitarbeitende vielleicht etwas langsamer arbeiten, vielleicht aber auch etwas genauer und überlegter. Mit Sorgfalt. Mit Erfahrung. Und mit dem Blick über die Nasenspitze.

Liebe Seniors@WorkerInnen: Sie sind gefragt! Sie sind „silbernes Humankapital“! Denken Sie immer daran und seien Sie stolz darauf! Egal, wie ihre Pensionierung gelaufen ist: Sie sind immer noch gefragt.

Beatrice Isler

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