Schon länger bin ich Kundin bei format, einer kleinen schönen Boutique für Frauen in einem gewissen Alter. Immer wurde ich gut bedient, gut beraten und man darf durchaus auch wieder gehen, ohne etwas gekauft zu haben. Ich wollte deshalb Hintergründe zur Philosophie von Geschäftsinhaberin Pia Grüninger wissen und bat sie darum, mir Red’ und Antwort zu stehen.

Nach vielen Berufsjahren in der Modebranche wagte Pia Grüninger im Jahr 2009 im 49. Lebensjahr den Sprung in die Selbständigkeit! Was für ein Mut! Und doch: wenn man sich ihr heutiges Geschäftsmodell anschaut, dann ist es nachvollziehbar, dass sie diesen Schritt gewagt hat.

Pia Grüninger verschrieb sich sozial verträglicher und ökologischer Mode. Was heisst das nun genau?

Sie kauft nichts, aber auch gar nichts aus Asien. Sie entwirft die Schnitte selber und wählt die Stoffe nach ökologischen Gesichtspunkten aus. Ihre Kleider sind vielfach aus Seide oder Cashmere, die Lieferanten haben ihren Sitz in Europa (Deutschland, Italien und Belgien). Frau Grüninger arbeitet mit vier verschiedenen Manufakturen in Norditalien und geht dort unangemeldet vorbei. Wichtig ist ihr, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Manufakturen einen anständigen Lohn erhalten. Ebenfalls arbeitet Pia Grüninger mit zwei Schneiderinnen aus dem Kanton Basel-Landschaft zusammen. Pro Modell entstehen lediglich kleine Stückzahlen.

Unser Gespräch drehte sich auch um die Modeketten, welche vorwiegend ganz junge Frauen im Verkauf anstellen, zu relativ schlechten Monatslöhnen und mit wenig Aussichten, sich eine anständige Pensionskasse für das Alter aufbauen zu können. Billige Preise für die Mode der Grosskonzerne entstehen aber nicht allein wegen der tiefen Löhne der Angestellten, sondern auch weil in Asien produziert wird. Teilweise zu unsäglichen Bedingungen. Unter anderem mit dem Stichwort Kinderarbeit.

Frau Grüninger erklärt, sie spüre, dass sie müder werde als früher. Vom Entwurf über den Stoffeinkauf, vom Auspacken bis zur Buchhaltung, alles macht sie als Generalistin nahezu alleine. Deshalb ist sie froh um ihre beiden Mitarbeiterinnen, denen sie absolut vertrauen kann. Von Beginn weg beschäftigt Pia Grüninger zwei Frauen in Teilzeit als ihre Ablösung. Eine der Frauen ist bereits im AHV-Alter, die andere wird innert Kürze auch soweit sein. Eine „Pensionierung“ der Angestellten im eigentlichen Sinn kommt für Frau Grüninger nicht in Frage. Sie sagt, sie sei angewiesen auf eine gewisse Reife der Mitarbeiterin, auf Erfahrung und Sensibilität im Umgang mit der Kundschaft, auf Zuverlässigkeit und auch auf Freude an der Arbeit. Die Kundschaft von format bewegt sich altersmässig zwischen 40 und 80 Jahren. Frau Grüninger lacht und meint: „Ich mache Mode für die erwachsene Frau!“. Und warum auf Kompetenz und langjährige Berufserfahrung von Mitarbeiterinnen verzichten, nur weil sie AHV bekommen?

Wenn allerdings eine der Damen ihren Teilzeitjob aufgeben möchte, so ist es für Pia Grüninger in erster Linie denkbar, sich bei seniors@work umzuschauen und sicher nicht auf die Uni-Website nachzuschauen, mit welcher Studentinnen und Studenten Teilzeitjobs suchen. Nichts gegen Studentinnen und Studenten! Aber für eine Klientel im mittleren Alter ist eine ausgebildete Textilfachverkäuferin mit viel Erfahrung nachhaltiger.

Im übrigen verrät mir Frau Grüninger, dass sie die Website seniors@work schon kennt und den zunehmenden Erfolg mit der Vermittlung von Seniorinnen und Senioren gerne mitverfolgt.

Die Zeit mit Pia Grüninger war äusserst interessant. Als Arbeitgeberin gibt sie meines Erachtens ein Vorbild ab, in dem sie ihre Angestellten als Menschen sieht und nicht als „Ware“, welche mit dem Eintritt ins AHV-Alter auf das Abstellgleis geschoben werden.

Herzlichen Dank, Frau Grüninger, für das offene Gespräch.

In diesen Tagen flatterte die Broschüre Fact & Figures 2019 der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern des Präsidialdepartementes Basel-Stadt ins Haus. Ich fing an darin zu blättern und musste letztlich feststellen, dass die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Tat zwar besser geworden, aber immer noch hoch sind.

In Bezug auf Seniorinnen und Senioren zitiere ich gerne aus der Broschüre:

„2018 bezogen in Basel-Stadt 7919 Rentnerinnen und Rentner Ergänzungsleistungen zur AHV, davon waren 62,9% Frauen.“

Armut und mangelnde soziale Absicherung scheint noch immer ein Frauenthema zu sein. Wenn man in der Broschüre blättert und bemerkt, dass z.B. die berufliche Stellung (Nordwestschweiz 2018) in leitender Funktion bei Frauen nur 5% ausmacht, aber für 7,8% der Männer Tatsache wird, oder nur 17,5 % Frauen in Vorgesetztenfunktion stehen im Gegensatz zu 24,6% Männer, wird schon klar, wo der erste Schritt des Unterschiedes liegt.

Wenn ich dann lese, dass hauptsächlich Frauen Care-Arbeit machen und eher schlecht bezahlte Berufe ergreifen, resp. durchschnittlich bei gleichem Jobprofil 18,3% weniger verdienen als Männer, wurmt mich das schon ein wenig. Kein Wunder, heisst es dann:

„Die durchschnittliche Pensionskassenaltersrente bei Neueintritt der Männer lag im Jahr 2017 bei rund 2894 Franken pro Monat, die  der Frauen bei 1619 Franken.“

Teilzeitpensen, Scheidungen, Familienplanung – all dies sind einschneidende Faktoren. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen auch über das Pensionsalter hinaus sehr darum bemühen, einen Job zu bekommen, resp. in ihrem Job bleiben zu können. Eigentlich müsste die Wirtschaft dankbar sein, wenn Seniorinnen und Senioren sich aktiv einbringen. Es wäre eine klassische Win-Win-Situation. Interessierte Menschen bringen ihre Lebens- und Berufserfahrung ein und können somit ihren Lebensunterhalt im Alter sichern.

Eigentlich möchte ich so gerne die Wirtschaft auffordern, sich mal bei den Seniorinnen und Senioren bei seniors@work umzuschauen! Unglaublich das Know-how, welches sich hier präsentiert…. Einfach zu schade, um nicht abgerufen zu werden!

Kandidat suchen
Job erstellen
Registrieren
Hilfe